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Genesis G70 Shooting Brake: Kann der Korea-Kombi Mercedes und BMW schlagen?

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Von: Rudolf Bögel

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Genesis G70 Shooting Brake rot Front Detail Kühler Scheinwefer
Quad-Scheinwerfer, herzförmiger Kühler, fette Lufteinlässe. Das Frontdesign des Genesis G70 ist ein echtes Statement. © Genesis

Angriff auf Audi, BMW und Mercedes. Mit fünf Modellen will Genesis den Premium-Markt in Europa aufmischen. Jetzt gibt es sogar einen Luxus-Kombi. Zum günstigen Preis.

Probiert haben es viele, geschafft hat es bislang keiner. Der Premium-Markt in Europa gilt als extrem hart. Mercedes, BMW, Audi – die Platzhirsche sind zahlreich und stattlich. Die US-Amerikaner von Cadillac haben es versucht. Vergeblich. Der Verkauf der Luxus-Schlitten erfolgt auch heute noch in homöopathischen Dosen. Infiniti, die Edel-Ausgabe von Nissan, zog sich Anfang 2020 nach knapp einem Jahrzehnt sogar ganz aus diesem mühseligen Wettbewerb zurück. Die durchaus schicken und grundsoliden Autos kann man nur noch auf dem Gebrauchtwagenmarkt erwerben, dafür aber ziemlich günstig. Und nun der nächste Anlauf. Genesis - wieder einer, der mit breiter Brust antritt und die Auto-Festung Europa schleifen will. Lesen Sie zudem hier weitere Fahrberichte*.

Genesis G70 Shooting Brake rot Logo
Bentley für Arme. Das Logo von Genesis erinnert viele an das der britischen Edelschmiede. Hat aber nichts damit zu tun. © Genesis

Design-Chef Donckerwolke - ein Ruf wie Donnerhall

Aber vielleicht klappt es dieses Mal – denn der südkoreanische Mutterkonzern Hyundai Motor Group hat nicht nur viel Geld und modernstes technisches Know-How, sondern auch einen echten Design-Papst in ihren Reihen. Luc Donckerwolke hat einen Ruf wie Donnerhall. Bei seinen vielen Stationen im VW-Konzerns (Audi, Skoda, Seat) landete er schließlich auch bei Lamborghini und Bentley. Der Mann weiß, was Premium ist. Vielleicht liegt es am Chef-Designer und seiner Vergangenheit – böse Zungen nennen Genesis schon „den Bentley für Arme“. Was auch am Logo liegt. Der Schriftzug wird links und rechts von silbernen Flügeln flankiert und erinnert damit tatsächlich an die Briten. Wer tiefer in der Automobil-Geschichte gräbt, wird allerdings feststellen, dass es Dutzende andere Flügel-Logos gibt. Angefangen bei Mini über Chrysler bis hin zu Morgan und Aston Martin.

Genesis G70 Shooting Brake grau
Eleganz auf 4,70 Meter Länge. Shooting Brake heißt so ein Auto im englischsprachigen Raum, Kombi sagen die Deutschen dazu. © Dominic Fraser / Genesis

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Schon vier neue Genesis-Modelle in diesem Jahr

Der Angriff der Südkoreaner findet auf breiter Front statt. Mehr ein Blitzkrieg. Mit den beiden Limousinen G80 und G70, sowie den SUVs GV 80 und GV70 haben die Südkoreaner allein in diesem Jahr schon vier Modelle gebracht. Und jetzt rollt auch noch ein waschechter Kombi zu den Kunden. Der G70 Shooting Brake – ein Auto, das quasi als Korkenzieher den europäischen Markt öffnen soll. Die Europäer lieben Kombis. In England besonders, dort wo der Shooting Brake auch erfunden wurde. Und auch die Deutschen stehen auf verlängerte Limousinen. Aber hat der G70 auch das Zeug dazu? Geht man vom Design aus, kann es auf diese Frage nur eine Antwort geben: Ja! Unverwechselbar, charakteristisch und elegant steht dieser Kombi auf der Straße. Die Quad-Leuchten vorne und hinten dominieren das Erscheinungsbild und sind quasi Marken-DNA. Der herzförmige Kühlergrill reißt seinen Mund weit auf, so, als ob er die Straße einsaugen möchte. Nach hinten zieht sich der Kombi schier endlos. Verantwortlich dafür ist der Dachspoiler, der weit über das Heck hinausragt.

Genesis G70 Shooting Brake Innenraum Cockpit
Gesteppte Ledernähte, gebürstetes Aluminium. Innen bietet der G70 Shooting Brake Eleganz und Gemütlichkeit der Moderne. © Dominic Fraser / Genesis

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G 70: Bei Sound und Klima dreht man noch am Rad

So aufregend der G70 von außen wirkt, aber kann der Koreaner dieses Versprechen auch innen einlösen?  „Luxus und Ergonomie im Einklang“ verspricht Genesis. Ersteres wird mit dem Dreigestirn der modernen automobilen Gemütlichkeit hergestellt. Alu, Chrom und noch viel mehr Leder– diese Klassiker funktionieren auch hier. Bei der Ergonomie hat man ein wenig bei der Konkurrenz gespechtet. Die konsequente Instrumenten-Ausrichtung auf den Fahrer, einst perfektioniert von BWM, ist gut und praktisch. Der schon obligatorische Infotainment-Bildschirm im Zentrum des Armaturenbretts lässt sich tatsächlich intuitiv bedienen, bei der Klimaanlage und beim Sound wird noch am Rad gedreht. Ein Novum ist der 3-D-Tacho, bei dem die Instrumente ganz ohne einschlägige Brille eine räumliche Wirkung haben sollen. Gut, dass man uns drauf aufmerksam gemacht hat, fast hätten wir das übersehen. So richtig überzeugend ist der 3D-Effekt nämlich nicht.

Genesis G70 Shooting Brake Motorraum
Bei den Motoren bietet Genesis nur Schonkost. Zwei Vierzylinder sind im Angebot, Hybrid-Varianten wird es nicht geben. © Dominic Fraser / Genesis

Nur Vierzylinder bei den Motoren, ob das reicht?

Beim Fahrwerk haben die Ingenieure jedoch alles richtig gemacht. Dank der tiefen Sitzposition hat man ohnehin schon ein sehr sportliches Grundfeeling. Das wird noch verstärkt durch das speziell für den europäischen Geschmack austarierte Fahrwerk. Stramm fühlt sich der Genesis an, knackig lässt er uns die Straßen spüren, aber im richtigen Moment schlucken die Dämpfer alle Unebenheiten weg. Auch in die Kurven schmeißt sich der Shooting Brake wie ein echter Sportwagen. Lässig und leicht tänzelt der Genesis durch den Asphalt-Parcours. Das kann auch BMW nicht besser. Bei den Motoren tut sich jedoch eine kleine Kluft zur Premium-Konkurrenz auf. Im Programm sind nur zwei Vierzylinder. Der 2,2-Liter Diesel mit 200 PS hat vom Drehmoment her zwar einen ordentlichen Punch, braucht aber knapp acht Sekunden von 0 auf 100. Außerdem meldet sich der Selbstzünder unter der Motorhaube relativ laut zu Wort. Den Reihen-Vierzylinder-Benziner hört man dagegen fast nicht. Es gibt ihn mit 197 oder 245 PS Leistung. Die am Heck angetrieben Variante schafft den Sprint immerhin in 6,4 Sekunden von 0 auf 100. So richtig mächtig fühlt sich diese Motorisierung jedoch auch nicht an. Aber sie ist ausreichend und passt zu einem eher entschleunigten Fahrstil. Hybrid-Varianten wird es nicht geben, diese Entwicklungsschritt lassen die Ingenieure aus. Ab 2025 werden alle Modelle voll elektrifiziert.

Genesis G70 Shooting Brake Front
Ein Fahrwerk ganz nach dem europäischen Geschmack. Stramm, knackig und doch komfortabel. © Dominic Fraser / Genesis

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Genesis-Kunden müssen nie in die Werkstatt

Beim Verkauf geht Genesis ganz eigene Wege. Hauptsächlich online, damit das Ganze jedoch nicht zu unpersönlich wird, gibt es den so genannten Genesis Personal Assistant. Darunter verstehen die Südkoreaner einen besonderen Service. Der Kunde möchte eine Probefahrt machen? Kein Problem. Das Auto wird nach Hause gebracht und später wieder abgeholt. Das Gleiche gilt für Reparaturen. Der Genesis-Kunde muss nicht an den Annahme-Schalter einer Werkstatt. Holen, Ersatzauto liefern, bringen – das alles ist mit dem Kaufpreis abgedeckt. Genesis will damit einen eigenen Fußabdruck im umkämpften europäischen Premium-Markt abliefern. Käufer sollen es so einfach wie möglich haben. Was auch auf die Konfiguration der Autos zutrifft. Um unseren Wunsch-G70 zusammenzustellen, haben wir unter einer Minute gebraucht. Modellreihe wählen (Premium, Luxus, Sport), Motor (Diesel oder Benziner), Lackierung, Felgen, Leder, Innenraumdekor und Assistenzpaket (Technik, Komfort). Fertig, die Stoppuhr zeigt 50,2 Sekunden.

Genesis G70 Shooting Brake rot Kofferraum
Beim Kofferraum schluckt der G70 Shooting Brake die Konkurrenz von BMW. Das T-Modell von Mercedes ist ebenbürtig. © Genesis

Ist der G70 wirklich so günstig? Preisvergleich mit BMW

Und dann wollen die Newcomer auch beim Preis punkten. Alle Modelle liegen deutlich unter dem, was die Konkurrenz verlangt. Der Diesel mit Hinterradantrieb (RWD) kostet ab 42.700 Euro, der einfache Benziner ebenfalls mit RWD liegt bei 40.300 Euro. Am oberen Ende rangiert der Allrad-Benziner mit 245 PS und der besten Ausstattung. Hier werden 50.860 Euro aufgerufen, der Erwerb des Allrad-Diesels setzt eine Überweisung in Höhe von 48.960 Euro voraus. Kurzer Vergleich mit der deutschen Premium-Konkurrenz aus München. Ein BMW 330i Touring xDrive startet als Basismodell bei 51.600 Euro und lässt sich bis zu 56.300 Euro (M-Paket) hoch konfigurieren. Den Allrad-Diesel 320 d bekommt man ab 50.400 Euro, top ausgerüstet landet man bei 55.300 Euro. Das T-Modell der C-Klasse von Mercedes kostet als Diesel und als Benziner ab circa 50.000 Euro. Und weil wir grad beim Vergleichen sind: Beim Kofferraum hängt Genesis die Konkurrenz aus Bayern ab. Der Dreier bietet 356 bis 1.325 Liter (umgeklappte Rücksitze), beim G70 sind es 100 respektive 200 Liter mehr. Mit dem T-Modell (490 / 1510 l) rangiert man auf Augenhöhe.

Genesis G70 Shooting Brake rot Kofferraum
Für Ordnung im Kofferraum sorgen die einzelnen Fächer, die man unter der Abdeckung findet. © Dominic Fraser / Genesis

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Kann der G70 Premium? Unser Fazit zum Shooting Brake

Gelingt den Südkoreanern mit Genesis das, was der Name bedeutet: Die Geburt, die Entstehung oder Schöpfung einer neuen völlig neuen Marke? Nach den Probefahrten mit dem G70 Shooting Brake fällt unser Fazit gemischt positiv aus. Bei Design, Technik, Komfort und Ausstattung kann der Kombi locker mit der Konkurrenz mithalten. Feiner Luxus zum erschwinglichen Preis. Wer richtig aufregende Motoren und atemberaubende Fahrleistungen sucht, der wird bei diesem Modell nicht fündig. Da muss man dann noch auf das Jahr 2025 warten, bis die Modelle auf Elektro umgestellt werden. Und da man sich hier im Hyundai-Baukasten bedient (Ioniq5, Kia EV6) darf man sich getrost auf ordentlich E-Power freuen.

Genesis G70 Shooting Brake 2,2 D AWD

Rudolf Bögel *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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