Der Stuttgarter Polizeipräsident Franz Lutz spricht von einer „nie dagewesenen Dimension von offener Gewalt gegen Polizeibeamte“ - und kündigt an, in den kommenden Wochen mit verstärkten Kräften in der Innenstadt unterwegs sein zu wollen. Die Ausschreitungen sind seinen Angaben nach aber nicht politisch motiviert. „Wir können aus der momentanen Sicht der Dinge eine linkspolitische oder überhaupt eine politische Motivation für diese Gewalttaten ausschließen.“
Erst gegen 04.30 Uhr war die Situation beruhigt. Von den 24 Festgenommenen sind laut Polizei 12 Deutsche und 12 Nicht-Deutsche. Sieben werden dem Haftrichter vorgeführt.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) kündigt an, mit der vollen Härte des Rechtsstaats gegen die Randalierer vorgehen zu wollen. Am Polizeipräsidium Stuttgart sei eine 40-köpfige Ermittlungsgruppe eingerichtet worden, das Landeskriminalamt werde die Ermittlungen unterstützen. Strobl will den Landtag am Mittwoch in einer Sondersitzung des Innenausschusses unterrichten.
Der Stuttgarter City-Manager Sven Hahn zeigt sich schockiert über die nächtliche Zerstörungswut in der Innenstadt. „Die Randale und die Schäden der vergangenen Nacht treffen die Stuttgarter Innenstadt in ihrer ohnehin schon schwierigsten und härtesten Zeit seit Jahrzehnten“, sagt Hahn, der Geschäftsführer der City-Initiative Stuttgart ist, einem Verbund aus Händlern, Gastronomen, Hoteliers und Kulturbetrieben.
Meldung vom 21. Juni, 11 Uhr: Diese Nacht werden wohl Polizisten und Einwohner in Stuttgart nicht so schnell vergessen. Denn zwischen Samstag (20. Juni) und Sonntag (21. Juni) spielen sich in der Innenstadt unfassbare Szenen ab. Alles beginnt scheinbar mit einer Drogenkontrolle der Polizei. „Viele Feiernde aus dem Bereich des sich vornehmlich in den Abendstunden und Nächten unter anderem am Eckensee sammelnden Klientels solidarisierten sich in Zusammenhang mit einer Polizeikontrolle anlässlich eines Rauschgiftdelikts gegen die Beamten“, heißt es am Sonntag in einer Mitteilung vom Polizeipräsidium Stuttgart. Kurz nach der Kontrolle eskaliert die Situation!
Die Menschen ziehen daraufhin in Richtung Schlossplatz und verteilen sich offenbar auch in Gruppen in der Innenstadt von Stuttgart. Dort zeigt sich ihre extreme Zerstörungswut: Sie beschädigen Streifenwagen mit Stangen und Pfosten, schlagen sogar die Scheiben der Autos ein. Auch vor vorbeifahrenden Streifenwagen machen die Randalierer keinen Halt. Sie werfen mit Steinen auf die Wagen – ohne Rücksicht auf die Beamten! Teilweise reißen die Täter sogar Pflastersteine aus dem Boden oder klauen sie von Baustellen, um sie danach auf die Autos zu werfen. Medienberichten zufolge, sollen über 100 Personen für die Verwüstung verwantwortlich sein.
Doch die Angreifer machen nicht nur vor Gegenständen halt. Sie gehen äußerst aggressiv auf die Beamten zu, greifen an und verletzen sie. „Mehr als ein Dutzend Polizeibeamte erlitten Verletzungen“, so das Polizeipräsidium Stuttgart. Die Polizisten müssen Verstärkung rufen, sodass mehr als 200 Beamte aus dem Umland Stuttgart in dieser Nacht im Einsatz sind.
Der Gewaltausbruch der Täter scheint keine Grenzen zu kennen und auch kein Ende zu nehmen. Als die Personen an Geschäften in der Stuttgarter Innenstadt vorbeikommen, werden auch diese massiv beschädigt. Scheinbar wahllos werden die Läden zerstört, Schaufensterscheiben eingeworfen oder eingeschlagen. „In Filmszenen ist auch zu sehen, wie massiv versucht wird, selbst schwere große Scheiben zu zertrümmern", heißt es im Bericht des Polizeipräsidiums Stuttgart weiter. Aus einer noch unbestimmten Zahl von Geschäften werden auch Auslagen gestohlen.
Damit die Täter bei ihrer Zerstörungswut unbekannt bleiben, ziehen sie sich Sturmhauben oder andere Materialien über das Gesicht. Während der eskalierenden Lage in Stuttgart fliegt auch ein Hubschrauber der Polizei über die Stadt. Wie HEIDELBERG24* berichtet, beruhigt sich erst nach Stunden die Situation.
Am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr sichert die Kripo Stuttgart Spuren, die Feuerwehr und das THW kümmern sich um die zerstören Schaufenster. Laut Polizei Stuttgart sind bereits über 20 Personen festgenommen. Die Beamten sind „derzeit noch dabei, aus den bereits vorhandenen und weiter hinzukommenden Erkenntnissen eine Gesamtübersicht zu erstellen.“
Am Sonntagnachmittag will die Polizei weitere Infos zu den Vorfällen in Stuttgart veröffentlichen. Hinweise nimmt die Kripo unter der Telefonnummer 071189905778 entgegen. Es gibt außerdem ein Hinweisportal, in dem Zeugen das Geschehen schildern können. Die Vorfälle in Stuttgart werden scharf von Politikern kritisert.
Auch in Mannheim ereignet sich am Samstagnachmittag ein Polizeieinsatz: Ein Streit zwischen mehreren Personen eskaliert, kurz darauf fällt ein Schuss. Es gibt mindestens einen Verletzten.
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