Amoklauf in Heidelberg: „Es hat mich geschüttelt“ – Tutorin (22) suchte Schutz hinter Pult
Heidelberg - Die Tutorin, in deren Uni-Kurs der Amoklauf stattgefunden hat, konnte sich damals hinter einem Pult verstecken. Nun hat sie sich zu den traumatischen Ereignissen geäußert.
Am 24. Januar schießt ein 18-Jähriger an der Universität Heidelberg um sich. Dabei tötet er eine 23-jährige Studentin, acht weitere Studierende werden verletzt. Anschließend richtet der Schütze die Waffe gegen sich selbst und drückt ab. Eine 22-jährige Chemie-Studentin leitet als Tutorin die Lehrveranstaltung im Hörsaal, der zum Tatort wird.
Stadt | Heidelberg |
Einwohnerzahl | 148.038 (31.12.2020) |
Studierende | ca. 39.000 |
Amoklauf in Heidelberg: Studentin erzählt, wie sie die Bluttat erlebt hat
„Ich weiß noch, dass ich gedanklich irgendwie versucht habe, eine Erklärung zu finden, die zu dieser Situation passt“, berichtet die 22-jährige Chemie-Studentin der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Samstag, 30. April).
„Erst als der Täter das erste Mal nachgeladen hatte, war mir klar, dass das kein Scherz ist.“ Als es still wird, habe sie ihr Handy vom Pult geholt und die Polizei gerufen. Später habe sie erfahren, wie schnell die Einsatzkräfte am Tatort waren. „Für mich selbst hat es sich deutlich länger angefühlt.“
„Als bekannt wurde, wie viel Munition der Täter bei sich hatte, hat es mich geschüttelt“, sagt die Tutorin weiter. „Ich habe später oft darüber nachgedacht, wie leicht es hätte passieren können, dass noch mehr Eltern ihre Kinder verlieren.“
Traumabewältigung nach Amoklauf an der Universität: „Das erste Treffen war sehr seltsam“
Nur einen Tag später sei sie wieder in die Vorlesung gegangen – als Traumabewältigung, wie sie sagt. Auch ihre Lehrtätigkeit als Tutorin habe sie fortgesetzt: zuerst online, die letzten beiden Veranstaltungen auf Wunsch der Studierenden wieder an der Universität Heidelberg – aber in einem anderen Raum als dem Tatort.
„Das erste Treffen war sehr seltsam, aber wir haben es zusammen zu Ende gebracht“, sagt die Frau der Zeitung. „Dass ich die verstorbene Studentin nie so kennenlernen konnte wie ihre Kommilitonen, bricht mir das Herz.“

Die Erlebnisse habe sie ganz gut verarbeitet, sagt die 22-Jährige. „Ein bisschen traurig ist, dass das Geschehene an der Universität kaum noch Thema ist.“ Direkt danach sei die Hilfsbereitschaft groß gewesen. „Aber mittlerweile ist es irgendwie weg. Das ist ja auf eine Art auch gut so. Für jemanden, der unmittelbar betroffen war, ist es trotzdem seltsam, wenn das Thema gefühlt verschwunden ist“, sagt die Frau. „Vielleicht wird sich das mit einem Gedenkort ändern.“
Amokläufer Nikolai G.: Das Motiv wird wohl für immer ungeklärt bleiben
Das Motiv für den Amoklauf in Heidelberg lasst sich den Ermittlern zufolge nicht mit vollständiger Sicherheit klären.

Hinsichtlich des Persönlichkeitsprofils des Amokschützen G. gibt es lediglich Spekulationen. Personen aus seinem Umfeld beschrieben Amokläufers Nikolai G. nach der Tat als „ganz ruhigen Mann“. (dpa/esk)