Ankunftszentrum in Heidelberg: Bürger sollen über Wolfsgärten entscheiden

Heidelberg - Ein Bündnis hat genug Unterschriften für einen Bürgerentscheid gegen ein Ankunftszentrum in den „Wolfsgärten“ gesammelt. Wann wird abgestimmt?
Update vom 18. Dezember: Die Heidelberger Bürger werden am 11. April 2021 über die Wolfsgärten als Standort des Ankunftszentrums für Flüchtlinge entscheiden. Das beschloss der Gemeinderat am Donnerstag (17. Dezember) einstimmig. Heftig diskutiert wurde derweil den Termin für den Bürgerentscheid - 22 Stadträte stimmten schließlich für eine Durchführung im April, 20 waren dagegen. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens hatten bis zuletzt gefordert, den Entscheid zeitgleich mit der Landtagswahl am 14. März durchzuführen. Dafür fand sich im Gemeinderat kein Mehrheit.
Das Gremium hätte den Standort Wolfsgärten auch direkt aus der Verlosung nehmen können, stimmte aber mit 25:20 Stimmen dagegen. Einen Vorstoß der Grünen lehnte der Gemeinderat ebenfalls ab: Die Grünen hatten vorgeschlagen, auf einen Bürgerentscheid zu verzichten, um das Thema in einem „Bürgerrat“ zu besprechen. Die Standortsuche sollte demnach nochmal von vorn beginnen. Dabei wolle man von einem „konfrontativen Verfahren zu einem kooperativen kommen“, hieß es in einer Fraktionsmitteilung vom Donnerstag.
Ankunftszentrum in Heidelberg: Kern eines regionalen Erstaufnahmesystems?
Update vom 25. November: Der Haupt und Finanzausschuss (Hafa) hat das Bürgerbegehren zur Verlagerung des Ankunftszentrums in die Wolfsgärten am Dienstag (24. November) für zulässig erklärt. Über den Termin für einen möglichen Bürgerentscheid gibt es derzeit noch keinen Konsens. Der Gemeinderat kann am 17. Dezember (16 Uhr) auch formal dem Bürgerbegehren zustimmen, damit wären die Wolfsgärten als neuer Standort für das Ankunftszentrum für Flüchtlinge aus dem Rennen. Oberbürgermeister Prof Dr. Eckart Würzner (parteilos) hatte zuletzt vorgeschlagen, bei dem Bürgerentscheid gleichzeitig mit dem Standort Wolfsgärten auch über die aktuellen Planungen für das Patrick-Henry-Village (PHV) abstimmen zu lassen. Das könnte der Gemeinderat mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen.
Bei der Bürgerinitiative würde man es „ausdrücklich begrüßen, wenn der Gemeinderat (...) weitere ergänzende Abstimmungsfragen mit hinzu beschließt, um die Standortfrage so rasch und konstruktiv wie möglich einer endgültigen Lösung zuzuführen“, schreibt BAFF PHV in einer Mitteilung. Allerdings fordert das Bündnis weiterhin hin die terminliche Zusammenlegung des Bürgerentscheids mit der Landtagswahl am 14. März 2021. Während OB Würzner aber über die aktuellen Planungen auf PHV (ohne Ankunftszentrum) abstimmen lassen will, erhofft sich die Bürgerinitiative ein positives Votum für die „Integration des Ankunftszentrums in den zukünftigen Stadtteil“. Die Formulierung einer zweiten Frage für den Bürgerentscheid dürfte also für ordentlich Konfliktpotential sorgen.
Ankunftszentrum in Wolfsgärten als Kern eines „atmendem Erstaufnahmesystems“
Als Vertreter des Innenministeriums bekräftigte Amtschef Andreas Schütze im Hafa, dass Baden-Württemberg zu einem Neubau in den Wolfsgärten stehe. Es gebe keine alternative Planungen auf PHV. Dem Land schwebe eine „atmendes Erstaufnahmesystem“ vor. Bei dem regionalen System werde ein „Nukleus“ (Wolfsgärten) bei Bedarf von anderen Einrichtungen unterstützt. Das könnte beispielsweise unter Pandemiebedingungen oder bei Zunahme von Flüchtlingsströmen der Fall sein.
Für den Neubau in den Wolfsgärten plant das Land mit einer Kapazität von 2.000 Plätzen. Idealerweise sollte das Ankunftszentrum aus Sicht des Innenministeriums über 3.500 Plätze verfügen. Die fehlenden Kapazitäten sollen „in der Nähe, aber nicht auf Heidelberger Gemarkung geschaffen werden“, heißt es aus Stuttgart. Konkret benannte der Vertreter die Einrichtung in der Mannheimer Industriestraße, die aktuell ertüchtigt wird. Mit der Stadt Mannheim sei man in Gesprächen. Weitere Standorte wurden nicht genannt.
Heidelberg Ankunftszentrum: Termin-Zoff geht in nächste Runde – Stadträte mit klarer Ansage
Update vom 13. November: Auch am zweiten Tag nach der Bekanntgabe des möglichen Termins für einen Bürgerentscheid über das Ankunftszentrum in den Wolfsgärten herrscht bei einigen Gemeinderäten Verwunderung über die Ansetzung in den Osterferien 2021. Die Fraktionen der SPD, Linken sowie Einzelstadträte der GAL, Bunte Linke, der „Partei“ und Heidelberg in Bewegung (HiB) fordern „faire Bedingungen“ für den Bürgerentscheid. „Warum wurde dieser sehr wichtige Termin, der für alle Bürger von großer Tragweite ist und vor allem durch die Unterschriften von 9.645 Heidelbergern legitimiert wurde, auf den letzten Sonntag in den Osterferien gelegt?“, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung am Freitag (13. November).
An dem von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen Termin am 11. April 2021 sei eine „geringere Wahlbeteiligung zu erwarten“, kritisieren die Stadträte. Damit „möglichst viele Bürger am Bürgerentscheid teilnehmen können“, biete es sich an, die Abstimmung über das Ankunftszentrum mit den Landtagswahlen am 14. März 2021 zusammenzulegen. So hätten die Bürger nicht den zusätzlichen Aufwand eines zweiten Wahltermins in vier Wochen. Das sei man „allen Heidelberger Bürgern, denen wir gerade jetzt während der Corona-Pandemie ohnehin einiges abverlangen, schuldig“.
Ankunftszentrum: Wolfsgärten vielleicht schon im Dezember aus dem Rennen?
Geht es nach SPD, Linken, GAL, BL, Partei und HiB, müsste man den Umweg über einen Bürgerentscheid im kommenden Jahr gar nicht mehr gehen. Ein Großteil des Gemeinderats zweifle die Eignung des Standorts Wolfsgärten für das Ankunftszentrum für Flüchtlinge mittlerweile an. Deshalb sei es der „beste Weg“, dem Bürgerbegehren bei der nächsten Gemeinderatssitzung am 17. Dezember stattzugeben und schnellstmöglich „alternative Standorte auf PHV zu prüfen“. Dazu braucht es die Unterstützung der Grünen. Die stärkste Fraktion im Gemeinderat hat sich allerdings „noch nicht zu diesem Thema beraten“ und möchte zunächst kein Statement abgeben.
Klar ist indes die Position der CDU-Fraktion: „Wir glauben nach wie vor, dass die Wolfsgärten der richtige Standort sind“, erklärt Fraktionsvorsitzender Dr. Jan Gradel im Gespräch mit HEIDELBERG24. Den Termin für den Bürgerentscheid wollen die Christdemokraten „lieber von der Landtagswahl trennen“, da beide Dinge nichts miteinander zu tun haben. „Das Ankunftszentrum ist ein kommunalpolitische Thema, das nur die Stadt Heidelberg betrifft.“ Es sei richtig, „das gesondert zu behandeln und abzustimmen“, so Gradel, der befürchtet, dass man das Patrick-Henry-Village nicht entwickeln könne, wenn das Ankunftszentrum nicht verlegt wird.
Bürgerentscheid zu Ankunftszentrum: Stadt wehrt sich gegen „unsachliche Unterstellungen“
Update vom 12. November, 16:30 Uhr: Der von der Stadt „angedachte“ Termin für einen Bürgerentscheid über die Verlagerung des Ankunftszentrums für Flüchtlinge am 11. April 2021 stößt der Bürgerinitiative sauer auf. Vertrauensmann Dr. Edgar Wunder wirft der Verwaltung gar ein „bewusstes Foulspiel“ vor. Die Stadt Heidelberg entgegnet, es sei nicht unüblich, einen Wahltermin auf einen letzten Sonntag einer Ferienzeit zu legen. Wie beispielsweise bei der Kommunalwahl 2009, die am letzten Sonntag der Pfingstferien stattfand.
Stadt | Heidelberg |
Einwohner | 160.355 (2019) |
Oberbürgermeister | Prof. Dr. Eckart Würzner |
Als Begründung für den Bürgerentscheid vier Wochen nach der Landtagswahl 2021 erklärt eine Stadtsprecherin auf Anfrage von HEIDELBERG24, das Thema sei „kommunalpolitisch so entscheidend, dass es seinen eigenen Raum und seinen eigenen Abstimmungstermin haben und nicht mit der Landtagswahl verknüpft werden sollte.“ Die Bürgerinitiative müsse die Position nicht teilen. In einer Demokratie sollte es aber selbstverständlich sein, „andere Auffassungen nicht gleich mit unsachlichen Unterstellungen“ zu diskreditieren. Die Linie der Stadt entspreche „einer Vorabsprache mit den großen Fraktionen im Gemeinderat“, so die Sprecherin weiter. Ohnehin entscheide der Gemeinderat über den Termin des Bürgerentscheids. „Die Verwaltung wird diese Entscheidung dann umsetzen.“ Weitere Informationen zur Stadt Heidelberg gibt es auf unserer Themenseite.
Ankunftszentrum: Bürgerentscheid im April ein „bewusstes Foulspiel“?
Erstmeldung vom 12. November, 11:45 Uhr: Knapp zwei Monate lang hat das „Bündnis Ankunftszentrum Flüchtlinge Flächenerhalt“, kurz BAFF PHV, in Heidelberg Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen die Verlegung des Ankunftszentrums vom Patrick-Henry-Village (PHV) auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche „Wolfsgärten“ gesammelt. Und das mit Erfolg: Mehrere Aktenordner mit über 11.500 Unterschriften übergab die Bürgerinitiative am Montag (9. November) vor dem Rathaus an Baubürgermeister Jürgen Odszuck und Ordnungsamtsleiter Bernd Köster.

Mittlerweile hat die Verwaltung die eingegangenen Listen überprüft. 9.645 Unterschriften von wahlberechtigten Bürgern sind gültig, die Mindestzahl von sieben Prozent der wahlberechtigten Heidelbergern ist erreicht, heißt es in einer Mitteilung vom Mittwoch (11. November). Über die Durchführung eines Bürgerentscheids wird der Gemeinderat am 17. Dezember befinden, erste Beratungen soll es im Haupt- und Finanzausschuss am 24. November geben.
Ankunftszentrum Heidelberg: Möglicher Termin für Bürgerentscheid sorgt für Ärger
Für ordentlich Zoff dürfte allerdings der Termin des Bürgerentscheids sorgen, den die Verwaltung beinahe beiläufig am Ende der Mitteilung erwähnt: „Angedacht ist der 11. April 2021.“ ‒ „Ein bewusstes Foulspiel“, findet Dr. Edgar Wunder, einer der drei Vertrauensleute des Bürgerbegehrens. BAFF PHV hatte mehrfach vorgeschlagen, den Bürgerentscheid zeitgleich mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg am 14. März, also gut vier Wochen vorher abzuhalten. Der Termin in den Osterferien verstoße „gegen jede Konvention“.
Eine Verlegung des Entscheids in die Ferienzeit diene laut Wunder nur dem Zweck, eine „möglichst geringe Abstimmungsbeteiligung, ein Scheitern am Quorum und damit einen ungültigen Bürgerentscheid zu provozieren.“ Dabei sollte die Verwaltung durch den Bürgerentscheid zur Verlagerung des RNV-Betriebshofs an den Großen Ochsenkopf gewarnt sein. Bei dem Entscheid wurde das Quorum knapp verfehlt. Es folgten monatelange Debatten und schließlich eine Abstimmung im Gemeinderat, die durch einen Kronkorken entschieden wurde.
Bürgerentscheid zum Ankunftszentrum besser zeitgleich mit Landtagswahlen?
Für BAFF gibt es viele Gründe, die für eine gleichzeitige Durchführung des Bürgerentscheids mit den Landtagswahlen sprechen. So könne die Verwaltung mit geringerem Organisationsaufwand rund 100.000 Euro einsparen, schätzt Wunder. Auch der Blick auf die Corona-Pandemie sei ein separater Abstimmungstermin „geradezu unverantwortlich“. Immerhin bestünde bei Durchführung der Wahl und Stimmabgabe ein „gewisses Infektionsrisiko“.
Beim Bündnis ist man überzeugt, dass das Ankunftszentrum für Flüchtlinge ohnehin ein wichtiges Landtagswahlkampfthema wird, bei dem sich alle Parteien in Heidelberg unvermeidlich positionieren müssen ‒ und das unabhängig vom Termin des Bürgerentscheids. „Selbstverständlich sind Wähler auch geistig in der Lage, zwischen ihrer Meinung zum Thema des Bürgerentscheids und ihrer Meinung zur Landespolitik zu unterscheiden“, bekräftigt Wunder.
Verlegung des Ankunftszentrums „beste Lösung“ für Heidelberg
Mittlerweile scheinen die Grünen im Gemeinderat eine Verlagerung des Ankunftszentrums auch nur noch bedingt mittragen zu wollen. Im Juni hatten sich auch Teile der Grünen-Fraktion für die Wolfsgärten als neuen Standort entschieden, auch weil man PHV für die Stadtentwicklung frei bekommen will. Bei der Stadtverwaltung hält man indes an den Wolfsgärten fest: „Wir halten den Gemeinderatsbeschluss vom Juni dieses Jahres zur Verlagerung des Ankunftszentrums auf das Areal Wolfsgärten bei dem begrenzten Flächenangebot, welches wir noch in Heidelberg für Wohnnutzung beziehungsweise für ein Ankunftszentrum haben, für die beste Lösung“, sagt Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner.
Im Patrick-Henry-Village will Heidelberg einen neuen Stadtteil für 10.000 Bewohner erschaffen. Zudem sollen dort künftig 5.000 Menschen arbeiten. Ein Ankunftszentrum auf einem Teil der ehemaligen US-Militärfläche spielt in den Planungen der Internationalen Bauausstellung (bislang) keine Rolle. OB Würzner ergänzt, dass die Verlegung des Ankunftszentrums in die Wolfsgärten dem Land Baden-Württemberg eine sichere Perspektive biete. „Heidelberg ist die einzige Stadt in Baden-Württemberg, die dem Land eine Fläche für seine Flüchtlings-Aufnahme anbietet. Wer dies ablehnt, entzieht dem Zentrum seine Perspektive.“ (rmx)