Heidelberg: „Fauler Pelz“ – Kommen psychisch kranke Straftäter schon ab August?
Heidelberg - Im Streit um die Wiedereröffnung des ehemaligen Gefängnisses „Fauler Pelz“ macht das Land Tempo. Kommende Woche starten Sanierungsarbeiten im ehemaligen Frauenknast:
Update vom 13. Januar: Schon im August 2022 werden wohl psychisch kranke und suchtkranke Straftäter im ehemaligen Frauenknast des Faulen Pelz einziehen. Kommende Woche sollen die Elektroarbeiten beginnen. Erste Voruntersuchungen haben bereits stattgefunden, erklärte ein Sprecher des Sozialministeriums der „Rhein-Neckar-Zeitung“: „Architekten, Fachplaner für Heizung, Lüftung und Sanitäranlagen sind beauftragt.“
Straffällige Patienten sollen im Maßregelvollzug auf ein sucht- und straffreies Leben vorbereitet werden. Das Land will den Faulen Pelz „übergangsweise“ als Gefängnis nutzen ‒ bis 2035! Heidelberg wehrt sich gegen das Vorhaben. Gemeinsam mit der Uni will man im historischen Gebäude Platz für Wissenschaftseinrichtungen schaffen.

Heidelberg: Wieder Straftäter im „Faulen Pelz“? – „Sicherheitsrisiko relevant“
Erstmeldung vom 10. Januar: Die Zentren für Psychiatrie im Land platzen aus allen Nähten. Das Land versucht Platz zu schaffen, kann aber mit der wachsenden Zuweisung psychisch kranker Straftäter durch die Gerichte nicht mithalten. Die Folge: Straftäter müssen freigelassen werden. Aus diesem Grund kündigt Sozialminister Manne Lucha an, alte Gefängnisse in Baden-Württemberg wiederzueröffnen und für den Maßregelvollzug zu nutzen. Eine der betroffenen Kommunen ist Heidelberg, wo bis zum Jahr 2015 das Gefängnis „Fauler Pelz“ in der Altstadt betrieben worden ist. Gegen den Plan regt sich aber massiver Widerstand vonseiten der Stadt und der Universität, welche die leeren Räume eigentlich als Erweiterung nutzen wollen.
Heidelberg: Streit um „Fauler Pelz“ – Wird Stadt zur Zusammenarbeit gezwungen?
Nun könnte der Streit noch einen Schritt weiter gehen. Denn das Land will die Kommunen notfalls gegen ihren Willen zur Zusammenarbeit zwingen! „Das Sicherheitsrisiko halte ich für so relevant, dass wir gegebenenfalls dem Wunsch einer Kommune nicht entsprechen können“, sagt Justizministerin Marion Gentges (CDU) zur Ablehnung einiger Städte und Gemeinden, die als Standorte in Frage kommen. Zeitdruck und Platzmangel könnte auch aus Sicht des Sozialministeriums dazu führen, dass eine Kommune nachgeben muss.
Name | Heidelberg |
Bundesland | Baden-Württemberg |
Bevölkerung | 161.485 (Stand: 31. Dez. 2019) |
Oberbürgermeister | Prof. Dr. Eckart Würzner (parteilos) |
Allerdings unterscheidet das Haus von Sozialminister Manne Lucha zwischen befristeten und oft aus der Not geborenen Lösungen wie dem „Faulen Pelz“ und längerfristig planbaren Neubauprojekten. Eine solche Not gab es im September 2021, als vier gefährliche Patienten aus dem Zentrum für Psychiatrie Weinsberg ausgebrochen sind. Bei diesen werde „ein möglichst großes Einvernehmen des Landes mit den Kommunen angestrebt“, teilt das Ministerium mit und betonte: „Klares Ziel ist auf jeden Fall, sich mit den Kommunen zu verständigen, das ist gar keine Frage.“
Maßregelvollzug in Baden-Württemberg platzt aus allen Nähten
Im Maßregelvollzug sollen straffällige Patienten auf ein sucht- und straffreies Leben vorbereitet werden. Zwar sind die Kapazitäten in den baden-württembergischen Kliniken nach Angaben des Sozialministeriums seit 2017 um 24 Prozent gesteigert worden. Allerdings haben die Gerichte in den vergangenen Jahren immer mehr Straftäter in den Maßregelvollzug geschickt. Die Zahl der gerichtlichen Zuweisungen ist zwischen 1996 und 2020 um mehr als 45 Prozent gestiegen - von 237 Fällen im Jahr 2016 auf 345 Fälle im Jahr 2020.
In den meisten Zentren für Psychiatrie werden Patienten bereits auch in Besucher-, Gemeinschafts- und Funktionsräumen untergebracht. Mancherorts werden Container belegt. Einige Patienten sind in andere Bundesländer verlegt worden. Allerdings können nicht mehr alle verurteilten Betroffenen innerhalb der von der Rechtsprechung anerkannten Frist aufgenommen werden. Die Folge: Straftäter müssen zumindest vorübergehend auf freien Fuß gesetzt werden. „Können wir nicht zügig in den Maßregelvollzug überstellen, dann dürfen wir die betroffenen Menschen auch nicht in der Strafhaft belassen, denn sie sind ja nicht zur Strafhaft verurteilt worden“, erklärt Gentges.
Justizministerin Gentges warnt vor Problemen durch Platzmangel
Im zu Ende gehenden Jahr hätten Gerichte bislang bei rund 30 Menschen die vorübergehende Organisationshaft aufgehoben, weil ihnen nicht rechtzeitig Plätze im Maßregelvollzug zur Verfügung gestellt werden konnten. „Sie kommen also wieder auf freien Fuß, bis im Maßregelvollzug Platz ist für sie“, sagt Gentges. Die Gefahr sei offenkundig. Es handele sich um Straftäter, bei denen die medizinisch-psychiatrischen Voraussetzungen für eine Unterbringung vorlägen. „Es gibt eine Wiederholungsgefahr, außerdem müssen sie eigentlich dringend behandelt werden“, erklärt die Justizministerin „Schickt man alle in die Freiheit, ist es eher eine Frage, wann und weniger, ob jemand rückfällig wird.“
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Wegen des Platzmangels im Land soll unter anderem das ehemalige Gefängnis „Fauler Pelz“ in Heidelberg für den Maßregelvollzug genutzt werden. Das Sozialministerium betont, es handele sich „um eine vorübergehende, aus der Not geborene Lösung, die kurzfristig realisiert werden muss“. Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner befürchtet dagegen, psychisch kranke Straftäter in einer Dauerlösung in der Stadt halten zu müssen. Derzeit plant das Land die Handwerker für den laufenden Monat ein. Im August 2022 sollen die ersten Patienten dort behandelt werden. (dpa/dh)