Bürgerentscheid: Ankunftszentrum auf Wolfsgärten? Das sagen Befürworter und Gegner

Heidelberg - Am Sonntag steht für Heidelberger erneut eine Standort-Entscheidung zur Wahl: Die Bürger sollen abstimmen, ob das Ankunftszentrum auf den Wolfsgärten neu gebaut wird.
Wird das Ankunftszentrum für Flüchtlinge auf die Wolfsgärten verlagert? Darüber entscheiden am Sonntag (11. April) knapp 110.000 stimmberechtigte Bürger in Heidelberg. Der Gemeinderat hatte im Juni 2020 entschieden, das Ankunftszentrum vom Patrick-Henry-Village (PHV) auf die Ackerfläche Wolfsgärten am Autobahnhkreuz Heidelberg zu verlagern. Ein Aktionsbündnis hatte gegen den Beschluss Unterschriften gesammelt und einen Bürgerentscheid angestrengt. Unabhängig von der Wahlbeteiligung müsste ein gültiges Quorum beim Bürgerentscheid am Sonntag 21.910 Stimmen erreichen.
Stadt | Heidelberg |
Einwohner | 160.355 (Eurostat, 2019) |
Oberbürgermeister | Prof. Dr. Eckart Würzner (parteilos) |
Stimmberechtigte Bürgerentscheid | ca. 109.550 |
Die Heidelberger müssen am Sonntag folgende Frage mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten: „Sind Sie gegen die Verlagerung des Ankunftszentrums für Flüchtlinge an das Autobahnkreuz auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche Wolfsgärten?“ Wer gegen einen Neubau des Ankunftszentrums auf den Wolfsgärten ist, muss also mit „Ja“ stimmen. Wer nichts gegen eine Verlegung hat, stimmt mit „Nein“. Was spricht für, was gegen eine Verlagerung auf die Wolfsgärten?
Ankunftszentrum auf den Wolfsgärten: Das sagen die Gegner einer Verlagerung
Gegen die Verlagerung des Ankunftszentrums macht sich das Aktionsbündnis „BAFF PHV“ (Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge und Flächenerhalt) stark. Unterstützung erhält die Bürgerinitiative auch von einigen Fraktionen im Gemeinderat, SPD und Linke werben sogar mit eigenen Plakaten für ein „Ja“ beim Bürgerentscheid. Das Bündnis kritisiert die „isolierte Lage“ des rund acht Hektar großen Gewanns Wolfsgärten. „Eingepfercht“ zwischen den Autobahnen A5 und A656 sowie der Bahnstrecke Heidelberg-Mannheim könnten die Neuankömmlinge keine sozialen Kontakte knüpfen, sagt Sigrid Zweygart-Pérez, die als Seelsorgerin im Ankunftszentrum auf PHV tätig ist. „Viele Ankommende haben jahrelang unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern gelebt“, so Zweygart-Pérez. „Jetzt erleben sie wieder, dass sie nicht dazu gehören.“
Auch die Versiegelung wertvollen, fruchtbaren Ackerbodens spricht aus Sicht der Verlagerungs-Gegner gegen den Standort Wolfsgärten. „Ein Ankunftszentrum außerhalb der Stadt zu etablieren und dafür auch noch hochwertigen Acker zu bebauen ist anachronistisch“, ärgert sich Dorothee Hildebrandt, die neben Zweygart-Perez Vertrauensfrau für die Bürgerinitiative ist. In Zeiten des Klimawandels mit immer heißeren Sommern und warmen Nächten seien Grünflächen wichtig für die Durchlüftung und sollten keinesfalls bebaut werden.

Und wohin mit dem Ankunftszentrum? Gegner der Verlagerung schlagen vor, das Ankunftszentrum auf PHV zu belassen. Heidelberg will auf der Konversionsflächen einen neuen Stadtteil entwickeln, in dem bis zu 10.000 Menschen leben sollen. Dort ließe sich ein Ankunftszentrum „sozial integrieren“, so Hildebrandt. Jüngst brachte die SPD ein Teilstück auf PHV entlang der A5 als Alternativstandort für das Ankunftszentrum ins Spiel. Von anderen wurde das Airfield als Ausweichstandort genannt. Allerdings plant die Internationale Bauausstellung (IBA) dort einen Landschaftspark.
Ankunftszentrums-Neubau auf Wolfsgärten: Das sagen die Befürworter
Für eine Verlagerung des Ankunftszentrums für Flüchtlinge auf die Wolfsgärten werben Stadt Heidelberg und das Land Baden-Württemberg. Die Wolfsgärten seien das Ergebnis eines langen Suchprozesses gewesen, erläutert Heidelbergs Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck. Die Fläche passe größenmäßig und ist im Eigentum der Stadt, also verfügbar. Als weltoffene, internationale Stadt sei es eigentlich die Stärke von Heidelberg, Anschlussunterbringung und Integrationsarbeit zu leisten, so Odszuck. Fakt sei aber auch, dass sich die Suche nach einer Alternativfläche im Land als sehr schwierig erwies: „Keine einzige Stadt und kein einziger Landkreis in Baden-Württemberg war bereit, freiwillig eine Fläche zu benennen.“
Auch auf der Fläche Wolfsgärten will das Land ein „neues Ankunftszentrum mit bundesweitem Modellcharakter umsetzen“, das „auch in Zukunft ein Leuchtturm bleiben [soll], der in Sachen Flüchtlingsaufnahme Maßstäbe setzt“, bekräftigt Andreas Schütze, Amtschef des baden-württembergischen Innenministeriums. Man wolle die Fläche PHV räumen, zu diesem Wort aus dem Jahr 2014 stehe Stuttgart. Auf den Wolfsgärten soll das Ankunftszentrum „mit der gesamten Verfahrensfunktionalität mit Unterbringungs- und Betreuungsmöglichkeiten für bis zu 2.000 Personen errichtet“ werden, so Schütze. Ergänzend stünden landesweit 12 Erstaufnahmeeinrichtung bei Platzbedarf zur Verfügung. Beim Land spricht man von einem „atmenden Erstaufnahmesystem“. Eine bessere Anbindung und zusätzlicher Lärmschutz sei in den Wolfsgärten problemlos umsetzbar.

Dem Landwirt wolle man eine Ersatzfläche für die Wolfsgärten anbieten, erklärt Baubürgermeister Odszuck. Ein Verbleib des Ankunftszentrums auf PHV ist aus Sicht der Stadt Heidelberg indes schwierig umsetzbar. Wolle man das Ankunftszentrum auf der ehemaligen US-Militärfläche unterbringen müsste der dynamische Masterplan für PHV komplett neu geplant werden, mahnt Odszuck: „Eine sichere Perspektive für das Ankunftszentrum bieten nur die Wolfsgärten.“
Bürgerentscheid zu Wolfsgärten: Was passiert bei „Ja“, was bei „Nein“?
Sollten die Gegner einer Verlagerung („Ja“) beim Bürgerentscheid die meisten Stimmen und das erforderliche Quorum erreichen (über 20 Prozent der Wahlberechtigten), wären die Wolfsgärten als Standort des Ankunftszentrums aus dem Rennen. Stadt und Land müssten eine Alternativfläche suchen, das Ankunftszentrum würde vorerst auf PHV bleiben. Auch eine Prüfung anderer Flächen im Stadtgebiet wäre denkbar.
Ein „Nein“ mit der nötigen Mehrheit der Wähler würde bedeuten, dass Stadt und Land die Planungen für ein Ankunftszentrums-Neubau auf den Wolfsgärten weiter forcieren. Baden-Württemberg würde einen Architektenwettbewerb ausschreiben und mit vorbereitenden Arbeiten auf der Fläche beginnen. Die Stadt will sich dafür einsetzen, die Neubauten möglichst in nachhaltiger Holzbauweise umzusetzen.
Sollte keine der beiden Optionen die nötige Stimmmehrheit bekommen, müsste der Heidelberger Gemeinderat erneut über die Frage entscheiden. Der Ausgang ist völlig offen.
Bürgerentscheid zum Ankunftszentrum: Was bei der Wahl zu beachten ist
Die Stadt Heidelberg hat den 109.550 Wahlberechtigten Briefwahlunterlagen zugesandt und bittet wegen de Corona-Pandemie darum, von der Briefwahl Gebrauch zu machen und Kontakte in Wahllokalen zu vermeiden. Wer dennoch sein Kreuz im Wahllokal machen möchte, kann das am Sonntag (11. April) von 8 bis 18 Uhr in dem im Wahlschreiben genannten Wahlraum tun. Dabei muss aber unbedingt der mitgeschickte Wahlschein und ein Ausweis sowie nach Möglichkeit ein eigener Stift mitgebracht werden! Eine Liste der Wahlgebäude in Heidelberg hat die Stadt hier zusammengestellt. Das vorläufige Endergebnis soll noch am Sonntag (11. April) bekannt gegeben werden. (rmx)