„Autos nicht einfach wegixen“ ‒ OB-Kandidaten in Heidelberg über Verkehrswende
Heidelberg - Der Wahlkampf vor der OB-Wahl im November nimmt Fahrt auf. In Kirchheim diskutieren Theresia Bauer, Sören Michelsburg und Amtsinhaber Eckart Würzner über die Verkehrswende.
Am 6. November steht Heidelberg vor der Wahl, ob Amtsinhaber Prof Dr. Eckart Würzner (parteilos) Oberbürgermeister bleibt oder ob einer der sieben anderen Kandidierenden seinen Posten übernehmen soll. Neben Würzner zählen die ehemalige baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und der SPD-Kreisvorsitzende Sören Michelsburg zu den aussichtsreichsten der insgesamt acht Kandidaten der OB-Wahl in Heidelberg.
Am Freitag (30. September) diskutieren die drei Bewerber über bessere Radwege und die Verkehrswende in der Unistadt. Eingeladen hatte das Bündnis Radentscheid, das sich im Frühsommer mit einem Bürgerbegehren für eine radfreundlichere Stadt einsetzte. Gut 100 Interessierte verfolgen die fast zweistündige Diskussion im Kirchheimer Bürgerzentrum.
OB-Kandidaten in Heidelberg: Bauer will Auto „zurückdrängen“
Theresia Bauer war seit 2011 Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Um sich voll auf den OB-Wahlkampf fokussieren zu können, schied die 57-Jährige am 25. September aus der Landesregierung aus. Mit Blick auf die Mobilitätswende plädiert Bauer für ein „radikales und konsequentes Vorgehen“.
Heidelberg will bis 2030 klimaneutral sein. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müsse das Auto „im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln zurückgedrängt“ werden. Sollte sie zur Oberbürgermeisterin gewählt werden, werde der Verkehr in Heidelberg 2030 leiser und entschleunigt sein, zudem werde es einen ausgebauten ÖPNV und mehr Fahrradverkehr geben, beschreibt Bauer ihre Vision.

Vor Oberbürgermeister-Wahl: Michelsburg plädiert für „smarte Mobilität“
Ganz so radikal will Sören Michelsburg (33) nicht vorgehen. Der SPD-Stadtrat setzt auf „smarte Mobilität“, um die Verkehrswende zu schaffen. Schon jetzt seien Heidelberger in der Stadt zu 80 Prozent im Umweltverbund unterwegs, also in Bussen und Bahnen, auf dem Rad oder zu Fuß. Probleme sieht der Gymnasiallehrer im Gehwegparken, abrupt endenden Radwegen und immer volleren Straßen.
Als Triathlet fahre er jährlich rund 15.000 Kilometer mit dem Rad, erklärt Michelsburg, nutze sonst den ÖPNV oder gehe zu Fuß. Dennoch müsse er manchmal auf das Auto zurückgreifen, etwa für größere Einkäufe. „Für diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind, muss Platz geschaffen werden, beispielsweise in Quartiersgaragen“. Pendler nach Heidelberg müssten auf andere Verkehrsmittel umsteigen können, erklärt Michelsburg ‒ etwa in eine Seilbahn ins Neuenheimer Feld.
Amtsinhaber Würzner über Verkehr: Autos „nicht einfach wegixen“
Wie seine beiden Mitbewerber will auch der amtierende Oberbürgermeister Eckart Würzner autofreie Räume in Stadtquartieren mit noch mehr Lebensqualität schaffen. „Den motorisierten Individualverkehr kann man aber nicht einfach wegixen“, mahnt der 60-Jährige, der nach 2006 und 2014 eine dritte Amtszeit als Stadtoberhaupt anstrebt.
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Das Unigebiet im Neuenheimer Feld ist ein wichtiges Pendlergebiet, in das (noch) zu viele Angestellte mit dem Pkw fahren. Immerhin sitzt dort mit der Uni der größte Arbeitgeber in Heidelberg. Würzners Konzept: in der Region sollen „fünf bis sechs Mobilitätshubs“ entstehen ‒ im Norden, Süden, Osten, Westen. Von dort sollen Pendler auf den ÖPNV umsteigen, um nach Heidelberg zu kommen. Schnellbuslinien sollen dann dafür sorgen, dass man möglichst schnell ans Ziel kommt.
Heidelberger OB-Kandidaten über Tempo der Verkehrswende uneins
Heftiger diskutiert das Podium über die Umsetzungsgeschwindigkeit der Mobilitätswende: Man sei „mit vielen alten Problemen konfrontiert“, kritisiert Bauer. „Wenn wir so weiter machen wie bisher, wird das nix.“ Die von Würzner versprochenen 20 neuen Stellen im Amt für Mobilität kämen zu spät. Um das Fahrrad in Heidelberg voranzubringen, brauche es „mehr Stringenz und mehr Strategie“. Zudem wünscht sich die Kandidatin „mehr Mut für Experimente“.
„Wenn Du in dem Amt arbeitest, brauchst Du eine Sonderzulage Schmerzensgeld“, kontert der Rathauschef. Viele Menschen in Heidelberg seien zu ungeduldig. Gerade mit Blick auf die Verkehrswende werde in der Öffentlichkeit ein Stadtumbau diskutiert, den es „in Art und Maß bislang nicht gegeben hat“, so Würzner. Dabei habe die Stadt bereits 180 Millionen Euro in den Ausbau des ÖPNV investiert.

Indem man Planung durch Ämter, Gremienläufe und Bürgerbeteiligung zusammenlegt, könne man die Umsetzung von Projekten beschleunigen, die sonst zwei bis drei Jahre dauern, schlägt Michelsburg vor. Dazu brauche es auch gutes Verwaltungspersonal. Das könne man gewinnen, indem man „Mitarbeitendenwohnungen“ bei der GGH schaffe, so der SPD-Kandidat weiter.
Neckartunnel für B37: Bewerber-Streit um Würzner-Idee
Statt Unsummen in ein Projekt wie den Neckartunnel müsse Heidelberg in klimafreundliche Mobilität investieren, fordert hingegen Theresia Bauer. OB Würzner hatte mit einem Neckartunnel für die B37 auf einem Teilstück zwischen Karlstor und Theodor-Heuss-Brücke eine Idee herausgekramt, die seit Jahrzehnten durch Heidelberg geistert. Michelsburg hatte den Neckartunnel-Vorstoß im Sommer kritisiert und stattdessen eine B37-Sperrung an Wochenenden ins Spiel gebracht.
Auf dem Podium verteidigt Stadtoberhaupt Würzner seinen Vorschlag: „Der ganze Odenwald will über die B37 in die Rheinebene. Das ist ein Riesenproblem für die Altstadt.“ Den Ost-West-Verkehr könne man aber nicht einfach kappen. Deshalb sei der Neckartunnel eine wichtige Stadtentwicklungsmaßnahme., um den Stadt zum Fluss hin zu öffnen und so die Altstadt aufzuwerten. Das Projekt könne man aktuell noch mit 70 Prozent bezuschussen lassen, erläutert der OB.
OB-Kandidaten gegen höhere Anwohnerparkgebühren
Erstaunlich einhellig sehen die OB-Kandidaten derweil das Anwohnerparken in Heidelberg. In Zeiten von explodierenden Energiepreisen und einer galoppierenden Inflation sprechen sich alle drei gegen eine Erhöhung der Anwohnerparkgebühren aus. Sie liegen derzeit bei 120 Euro pro Jahr. Die Grünen hatten das Thema im Gemeinderat auf die Agenda gesetzt und eine schrittweise Erhöhung auf 360 Euro gefordert.
Diese weitere Erhöhung ‒ für Bauer „aktuell ein falsches, ein giftiges Signal“. In der jetzigen Situation dürfe man die Bürger nicht weiter belasten, findet auch Rathauschef Würzner. „Das Problem beim Anwohnerparken“, ergänzt Michelsburg, „ist, dass momentan nur 15.000 Autohalter in Heidelberg zahlen, 45.000 aber nicht.“ Seine Forderung: Die Parkraumbewirtschaftung müsse auf alle 15 Stadtteile ausgeweitet werden.
Trotz aller Kritik soll der „Kandidat-O-Mat“ zur OB-Wahl in Heidelberg Mitte Oktober online gehen. Amtsinhaber Würzner hatte an dem von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg entwickelten Tool bemängelt, es beinhalte irrelevante Fragen und rechtlich nicht zulässige Thesen. Zudem lasse es die gebotene Neutralität vermissen. (rmx)