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FDP im Fokus: Die Spielverderber und der Zorn der anderen

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Von: Sebastian Horsch

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Nächste Ausfahrt, Opposition: Christian Lindner (oben) bekommt im Hans-Dietrich-Genscher-Haus Beifall
Nächste Ausfahrt, Opposition: Christian Lindner (oben) bekommt im Hans-Dietrich-Genscher-Haus Beifall. © dpa

Dass die FDP die Jamaika-Koalition platzen lässt, bringt ihr viel Kritik ein. Diese Politik-Inszenierung hätten Lindner & Co. von langer Hand geplant, heißt es. Die Liberalen verkaufen sich dagegen als die letzten Prinzipientreuen.

München – Der Sonntag ist fast rum, als Christian Lindner Jamaika die Lichter ausbläst. „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sagt der FDP-Wortführer um kurz vor Mitternacht in die Kameras. Danach ist Geisterstunde. Die schwarz-gelb-grüne Koalition, für viele Hoffnungs-Projekt, ist soeben gestorben. Doch wer hat Jamaika auf dem Gewissen? Die häufigste Antwort am Montag: Die FDP war’s.

Kalkül wird den Liberalen von verschiedener Seite vorgeworfen, sie hätten die Gespräche gezielt platzen lassen. „Dieser parteipolitische Egoismus beschädigt unsere Demokratie“, sagt etwa Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Die heftigsten Angriffe aber kommen aus den Reihen der Grünen. Fraktionschef Anton Hofreiter giftet: „Mit jeder weiteren Einigung wurde die Panik eher größer als geringer. Deshalb kann man durchaus den Verdacht haben, dass die weniger gestalten wollten, sondern mehr Sorge vor der Verantwortung hatten.“ Die FDP habe einfach Angst davor, zu regieren, schlussfolgert auch Reinhard Bütikofer. Und Verhandlungs-Teilnehmer Robert Habeck klagt an: „FDP, das war von langer Hand vorbereitet. Dass ihr uns hier einen Tag in Geiselhaft genommen habt, nehme ich persönlich übel.“

Was sich kurz vor Lindners Auftritt in der Sondierungsrunde abgespielt haben soll, erfahren „Spiegel“-Reporter von einem, der in den Verhandlungen saß. Lindner habe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Erklärung von einem Zettel vorgelesen. Die Kernaussage: Die FDP macht nicht mehr mit. Die Kanzlerin habe geantwortet, Lindner solle sich das doch besser noch einmal überlegen. Und, dass seine Worte in ihren Ohren nach einer vorbereiteten Presseerklärung klängen.

Koalitionsverhandlungen: „In vier Wochen so wenig zusammengefunden“

Bei der FDP aber nennt man sich nichts anderes als konsequent. „Wir haben nicht leichtfertig entschieden, uns aus den Sondierungsgesprächen zurückzuziehen“, sagt Lindner. „Aber wir haben auch eine Verantwortung gegenüber unseren politischen Grundüberzeugungen.“ Viele Fragen seien noch offen gewesen, weist er den Vorwurf zurück, eine Partei habe den Verhandlungstisch kurz vor einer Einigung verlassen. Ganze 237 Stellen im Sondierungspapier sollen ungeklärt gewesen sein. „Es gab nicht den gemeinsamen Weg, es gab nicht das Vertrauen der Akteure insgesamt.“

Keine Frage: Partei-Vize Wolfgang Kubicki verteidigt den Jamaika-Schlussstrich
Keine Frage: Partei-Vize Wolfgang Kubicki verteidigt den Jamaika-Schlussstrich. © dpa

Auch im Freistaat sieht man das so. Bayerns FDP-Chef Daniel Föst schiebt am späten Sonntag gerade den Kinderwagen durchs nächtliche München, als sein Handy nicht mehr aufhört zu vibrieren. Fösts einjähriger Sohn ist krank, der Spaziergang soll ihn beruhigen. Während er einschläft, scheitert Jamaika.

Jamaika-Ticker: Mehrheit ist für Neuwahlen, Umfrageschelte für FDP

Am Tag danach ist sein Vater wieder in Berlin, Hans-Dietrich-Genscher-Haus. Der FDP-Bundesvorstand tagt, und auch die Fraktion, der Föst angehört. Seit Freitag habe sich für ihn bereits angedeutet, dass aus Jamaika nichts wird, sagt Föst. Immer wieder seien die Themen von den anderen auf Anfang gestellt worden, immer wieder sei es bei Dingen, die eigentlich längst besprochen waren, von vorne losgegangen. Eine Regierung, die nach über vier Wochen so wenig zusammenfinde, „die hält keine vier Jahre“. Dass man das Scheitern der Koalition seiner Partei anlasten könnte, macht Föst keine Angst, sagt er. „Wir stehen zu unseren Prinzipien, wir sind eine Partei mit Ecken und Kanten.“ Auch mit Blick auf eine mögliche Neuwahl oder die Landtagswahl im Herbst 2018 sei ihm deshalb keineswegs bange. „Ich gehe davon aus, dass die Wähler das goutieren.“

Bei den Liberalen stehen die Zeichen nun offenbar auf Opposition. Eine schwarz-gelbe Minderheitsregierung schließt FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms gestern aus. Christian Lindner äußert sich dazu nicht. Und zumindest an der eigenen Basis scheint diese Entwicklung gut anzukommen. 130 Neueintritte in die Partei habe es allein innerhalb der ersten 15 Stunden gegeben, seit Jamaika vom Tisch ist, sagt Föst. 27 davon in Bayern. Austritte habe es zumindest im Freistaat dagegen nicht gegeben. Föst sagt, er wisse allerdings von einem in Hessen.

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