Die Polizei in Karlsruhe bezeichnete den Vergleich des Mädchens bei Twitter als „völlig unangebracht und geschmacklos“ und gab die Dokumentation des Falls durch den Staatsschutz am Dienstag an die Staatsanswaltschaft. Anne Frank lebte von 1942 bis 1944 mit ihrer Familie in Amsterdam im Versteck vor den deutschen Nationalsozialisten gelebt und dort ihr berühmtes Tagebuch geschrieben. Sie starb im Frühjahr 1945 mit nur 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen Belsen.
Die Empörung über den Vergleich mit Anne Frank zieht weite Kreise. Dennoch hat der Fall aus Karlsruhe juristisch keine Konsequenzen für das Mädchen oder seine Familie. Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten vorliegen, wie ein Sprecher sagte. Damit werde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Abgesehen davon, dass das Kind strafunmündig sei, werde auch nicht gegen die Eltern ermittelt. Im Raum standen etwa die Leugnung des Holocausts oder Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Der Polizeisprecher sagte: „Nicht alles, was moralisch verwerflich ist, ist auch ein Straftatbestand.“
Folgen für die Familie wird der Auftritt des Mädchens auf der „Querdenken“-Demo in Karlsruhe dennoch haben: Die Stadt Pforzheim, in der das Kind lebt, kündigte an, das Jugendamt werde das Gespräch mit den Eltern der Schülerin suchen. Experten sehen aktuell einen gefährlichen Trend, dass Kinder bei den Demos in den Fokus gerückt werden. Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) warnte vor zunehmender Radikalisierung der „Querdenken“-Bewegung.
Der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, sprach nach dem Vorfall in Karlsruhe von einer „neuen Eskalation“: NS-Vergleiche habe es die ganze Zeit bei den Protesten gegen die Corona-Politik gegeben. „Neu ist, dass Kinder in offensive Rollen und zum Mitmachen gedrängt werden“, sagte Blume. „Der Antisemitismus greift jetzt gezielt nach Kindern und setzt Kinder gezielt ein, um Tabus zu brechen.“ Ein anderes Beispiel seien Chatgruppen etwa beim Anbieter Telegram, ausgerichtet genau auf Kinder und Jugendliche. Die Messenger-App wird mit Vorliebe auch von Xavier Naidoo, Atilla Hildmann und Co. genutzt, um Verschwörungsmythen zu verbreiten.
In der Verschwörungslogik gehe es darum, das Wichtigste im Leben zu schützen, so Blume. Das könnten für manche Menschen Hautfarbe, Geld oder eben die eigenen Kinder sein. In manchen Verschwörungsmythen geht es um entführte und gefolterte Kinder. „Kinder sind da ein guter Trigger“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur weiter. Wichtig sei sachliche, unaufgeregte Aufklärung. An die Betroffenen werde man kaum herankommen, räumte Blume ein. „Wir müssen damit leben, dass wir nicht alle erreichen werden. Aber die vielen Menschen, die wir erreichen können, müssen wir aufklären.“ Auch Eltern müsse klargemacht werden, „was sie ihren Kindern damit antun“. (kab/dpa)