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ZDF-Talkshow Markus Lanz: Ex-Verfassungsschützer Maaßen übt sich in Rechtfertigung

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Von: D.J. Frederiksson

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Hans-Georg Maaßen bei Markus Lanz.
Hans-Georg Maaßen bei Markus Lanz. © Screenshot ZDF

In der TV-Talkshow von Markus Lanz (ZDF) war der umstrittene ehemalige Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen zu Gast. Und der benahm sich, wie von ihm erwartet.

Das Problem, wie man mit den Sprachrohren des rechten Randes in den öffentlich-rechtlichen Talkshows umgeht, gehört langsam zum TV-Alltag. Lässt man dumpfe AfD-Parolenschläger ihre kruden Thesen verbreiten und hofft, dass sie sich in den Augen eines hoffentlich mündiges Publikum selbst unmöglich machen? Lässt man sich auf den verbalen Schlagabtausch ein, in dem vermutlich der Lautere gewinnt? Eskaliert man bis zum Sendungsabbruch, aus Prinzip?

Der sanfte Markus Lanz, der stets eine ordentliche Dosis braves Boulevard mit im Gepäck hat, damit die harte Polit-Pille leichter runtergeht, ging bei seinem Interview mit dem ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen einen faszinierenden, gewagten, aber letztlich erfolgreichen Weg: Er beherzigte die Grundsätze der gewaltfreien Kommunikation, schmeichelte, formulierte diplomatisch und behielt stets den Höhenvorteil des Niveaus. Freilich wurde auch schnell klar, dass seine Versuche, Maaßen bei einer juristischen, menschlichen oder institutionellen Ehre zu packen, ins Leere laufen mussten.

Markus Lanz im ZDF: Maaßen lässt zu keinem Zeitpunkt seine Abwehr sinken

Wir erinnern uns: Maaßen war seit 2012 Verfassungsschutz-Präsident, bis er vor einem Jahr in der „Bild“-Zeitung die Berichterstattung der „Tagesschau“ zu den rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz öffentlich anzweifelte und innerhalb einer Woche seinen Job los war. Rückblickend ist Lanz' anfangs einlullende Gesprächsführung sehr raffiniert: Man redet über das Leben im Ruhestand, über den Rückblick auf ein langes Beamtenleben und über generelle Versäumnisse oder Fehler. 

Maaßen lässt zu keinem Zeitpunkt seine Abwehr sinken, aber bevor er versteht, wie das Thema drehen konnte, hat sich schon ein eigentlich mitleiderregender Eindruck geformt: Der brave Beamte, der nie die Öffentlichkeit gewohnt war, auf dessen Interviews oder Aussagen nie jemand geachtet hatte, war urplötzlich ein nationaler Skandal, „wegen vier Sätzen, die ich rausgegeben habe“.

Markus Lanz: Hans-Georg Maaßen mit abstoßenden Zitaten

Und noch bevor man all die abstoßenden Zitate aufgetischt bekommt, der er zuvor unbemerkt oder danach spürbar ermutigt noch so alle von sich gegeben hat, gibt er selbst die Erklärung, wie ein solcher Biedermann zu einem der lautesten Brandstifter der Republik werden konnte: Als er gefragt wird, warum sein Tonfall so aufrührerisch ist und so überspitzt nationalistisch und fremdenfeindlich klingt, antwortet er mit einer Rechtfertigung a posteriori: Nachdem er das gesagt hätte, wären massenweise Leute zu ihm gekommen und hätten ihm gedankt: „Endlich sagt mal einer, was wir nicht mehr sagen dürfen.“ Und da sei ihm klar geworden, dass man das sagen muss.

Hans-Georg Maaßen bei Markus Lanz: Argumente sind fadenscheinig

Lanz überhört die bittere Pointe dieser Rechtfertigung keineswegs, er fragt sofort nach: „Also muss man es sagen, weil es Leute gibt, die das hören wollen?“, aber da hat Maaßen schon begriffen, dass er sich unabsichtlich selbst verraten hat, und rudert zurück: Nein, nein, es geht um Wahrhaftigkeit, selbstverständlich.

Aber natürlich sind seine Argumente fadenscheinig. Immer wieder wirft er den Journalisten Tendenziösität vor (natürlich nicht den anwesenden) und mahnt „Es kommt auf die Worte an.“ Aber wenige Minuten später ergeht er sich selbst wieder fröhlich in seinen Auslassungen über „Araber“ oder den „Shuttle-Service“ der Seenotrettung im Mittelmeer, und verkündet, dass man manchmal eben auch „billige Tricks“ benutzen muss, um gehört zu werden: „Wenn man öffentlich wahrgenommen werden will, muss man ab und zu überspitzen.“

Genauso erklärt er selbstgerecht: „Das Problem ist, dass die Leute den Medien mehr und mehr nicht mehr glauben“ und dass die Medien ohne Beweise spekulieren würden – nur um dann selbst mehrmals die Berichterstattung kategorisch als „Blödsinn“ zu beschimpfen und sich in absurden Spekulationen über enge Verbindungen der „Tagesschau“ zur Antifa zu ergehen, ohne einen Hauch von Belegen.

Hans-Georg Maaßen bei Markus Lanz: Flüchtlinge sind eigentlich was anderes

Seine absurdeste Wortdreherei wird dabei leider niemals hinterfragt. In bester Beamtenmanier mahnt er an, dass es sich bei den Menschen aus Kriegs- oder Notgebieten keineswegs um „Flüchtlinge“ handelt – das seien sie erst, wenn eine deutsche Behörde ihnen diesen Status anerkannt hätte. Und direkt danach erklärt er den wunderbaren juristischen Catch-22, dass eigentlich keinerlei Migranten in Deutschland aufgenommen oder auch nur geprüft werden dürften, weil sie schließlich aus einem Nachbarland kämen und alle Nachbarländer sichere Drittstaaten sind.

So einfach sieht also seine Welt aus: Die Menschen, die aus Bürgerkriegsländern flüchten, sind keine Flüchtlinge, weil sie hier noch nicht anerkannt sind. Und hier können sie nicht anerkannt werden, weil die Nachbarländer sich gefälligst drum kümmern sollen. Wie man sich eine Welt ganz ohne Flüchtlinge herbeiredet und sich von jeglicher humanitärer Verantwortung freispricht – mit Hans-Georg Maaßen. Wenn man bedenkt, dass diese humanitäre Verantwortung eigentlich in der Verfassung festgehalten ist, kann man nur froh sein dass diese Person nicht mehr der oberste Wächter dieser bundesdeutschen Prinzipiensammlung ist.

Wenn Lanz oder der sichtlich enervierte Journalist Olaf Sundermeyer immer wieder versuchen, Maaßen auf seine zirkuläre Logik oder seine gleißenden Selbstwidersprüche aufmerksam zu machen, laufen sie ins Leere. Maaßen hält sich an minutiösen Details fest, die er wieder und wieder triumphal herausposaunt. Er kann einfach nicht verstehen, wie lächerlich das wirkt, wenn er selbst von 200 schweren Straftaten von marodierenden Rechtsradikalen in zwei Tagen redet – und dann ein winziges Detail der journalistischen Berichterstattung als Grund für die größte Aufregung heranzieht.

Hans-Georg Maaßen bei Markus Lanz: Haarsträubende Logik

Er versteht auch nicht, wie haarsträubend seine Logik wirkt, wenn er behauptet, daß die Menschen, die Asylantenheime anzünden, keine Rechtsextremen wären, sondern „nur“ Menschen aus der radikalisierten bürgerlichen Mitte. Ja, sicher, und ein Hakenkreuz ist nur ein tibetisches Glücks-Symbol, das einige radikalisierte Kleinbürger mit Vorliebe an jüdische Einrichtungen malen.

Vielleicht ist das wieder so eine sprachliche Prinzipiensache bei Maaßen, dass man erst Rechtsextremer sein darf, wenn man von einer deutschen Behörde als solcher anerkannt wurde? So kann man sich die Welt natürlich auch schönreden: Es gibt hierzulande keine Nazis, es gibt nur verwirrte Kleinbürger. Nein: Wer rechtsextrem handelt, ist ein Rechtsextremer; und wer dem rechten Rand nach dem Mund redet, gehört zum rechten Rand – egal, wie tief er jemals in der bürgerlichen Mitte gewesen sein mag.

Dieser erste Eindruck von Maaßen, der so früh gesetzt wird, bestätigt sich: Ein trauriger alter Mann, der mit seiner einzigen öffentlich beachteten Bemerkung sofort zur persona non grata des Politbetriebes und zum Helden einer kleinen, aber lauten Gruppe der „radikalisierten“ bürgerlichen Mitte geworden ist – und der nun dieses Rampenlicht und diese Bewunderung nicht mehr aufgeben will. Da ist es kein Wunder, dass Lanz und Sundermeyer nicht an ihn rankommen, auch wenn sie ihn bei seiner „Intelligenz“ und seinem „Gewicht“ packen wollen.

Hans-Georg Maaßen bei Markus Lanz: Der Biedermann wurde zum Brandstifter

So sieht es aus, wenn ein Biedermann zum Brandstifter* geworden ist: Ohne jede Einsicht oder Selbsterkenntnis sitzt da ein kleiner Mensch, provoziert vom Applaus des Studiopublikums gegen sich, machttrunken von seiner digitalen Anhängerschaft, die er nicht mehr loslassen kann.

Durch die restliche Sendung, in der eine DDR-Bürgerrechtlerin über ihr Schicksal in der Diktatur und die Probleme nach der Wende erzählt sowie ein Hochgeschwindigkeitskletterer von seinen aufregenden Abenteuern berichtet, schwenkt die Kamera immer wieder auf eine Großaufnahme von Maaßen, der sichtlich gelangweilt abwartet, bis er wieder auf Twitter gehen darf. Alle sagen, dass es endlich mal jemand sagen muss. Deswegen sagt er es. Endlich hört ihm jemand zu. Und es sind keine Rechtsextremen. Sondern nur die radikalisierte bürgerliche Mitte.

Markus Lanz: Die Sendung als Stream in der ZDF-Mediathek

Von D.J. Frederiksson

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Am Hauptbahnhof Frankfurt hat TV-Koch Steffen Henssler das Restaurant „Ahoi“ eröffnet. Trotz Schnelligkeit steht auch Qualität im Vordergrund.

Es ist wieder soweit: Markus Lanz bügelt wieder ein ganzes Jahr mit deutschen Boulevardmeldungen flach.

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