Heizkosten steigen drastisch: Drohen im Winter Engpässe?

Die Preise für Erdgas steigen immer weiter. Verbraucher müssen mit deutlichen Mehrausgaben für Heizkosten rechnen – und möglicherweise mit kalten Heizungen.
Frankfurt – Auf dem Weg zur Klimaneutralität spielen auch die Heizsysteme eine große Rolle. Im Rahmen der Bundestagswahl 2021* ist die Energiewende eines der Kernthemen. Doch erneuerbare Energien sind noch lange nicht so verfügbar, als dass der Heizbedarf der Bevölkerung damit gedeckt werden könnte.
Vielmehr heizt in Deutschland jeder zweite Haushalt mit Erdgas. Für die Verbraucher könnte das bald zu einem finanziellen Problem werden. Denn der Preis für Erdgas steigt unerbittlich.
Preise für Erdgas seit Monaten auf Höhenflug
Die Großhandelspreise für Erdgas sind seit Monaten auf einem Höhenflug. Vielerorts bekommen die Verbraucher das bereits zu spüren. Nach Angaben der Vergleichsportale Verivox und Check24 haben zahlreiche regionale Gasanbieter Preiserhöhungen für den Herbst angekündigt. Verivox hat ein Plus von durchschnittlich 12,6 Prozent ermittelt, nach Check24-Berechnungen sind es 11,5 Prozent. Für einen Durchschnittshaushalt führe das zu Mehrkosten von 188 Euro beziehungsweise 172 Euro im Jahr.
Der Preis für Erdgas legte um gut 44 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt in seiner Erhebung zu den Erzeugerpreisen am Montag berichtete. An den Spotmärkten, wo Gas kurzfristig gehandelt wird, haben sich die Preise für Erdgas seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt, berichtet die dpa.
Anstieg für Hezikosten hat viele Gründe
Die Gründe für den Anstieg sind vielfältig. So sind die Speicher beispielsweise in Deutschland nur zu weniger als zwei Dritteln gefüllt, wie auf der Datenplattform der Betreiber zu sehen ist. Vor einem Jahr betrug der Füllstand gut 94 Prozent. Auch in den meisten Jahren zuvor waren laut dpa die Speicher vor Beginn der Heizsaison deutlich besser gefüllt als derzeit.
Auch das Coronavirus* hat seinen Anteil an den Preissteigerungen. Nach dem Wiederanlaufen der Wirtschaft habe sich die weltweite Nachfrage wieder normalisiert, erläutert Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool. Das gelte vor allem für Asien. Der dortige Bedarf an Flüssigerdgas (LNG) beeinflusse auf den eng verflochtenen Erdgasmärkten auch das Preisniveau in Europa.
Erdgas-Speicher nicht so gefüllt wie üblich
Zudem hätten auch Ausfälle und Wartungsarbeiten an der Gas-Infrastruktur in Europa zur Folge gehabt, „dass die Gasspeicher nicht so stark wie sonst üblich über den Sommer gefüllt werden konnten“, wie Eren Çam vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln sagt. Der Essener Energiekonzern RWE verweist zudem auf das Auslaufen der Erdgasproduktion in den Niederlanden.
Und natürlich hat irgendwie auch die Politik ihre Finger im Spiel. Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, spricht sogar von einer Situation „mit Erpressungspotenzial“. Der Hintergrund: Die Speicher des russischen Erdgas-Riesen Gazprom in Europa sind nahezu leer. Das soll laut Krischer mit Blick auf das Genehmigungsverfahren für die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 bewusst herbeigeführt worden sein. Seine Vermutung teilen mehrere EU-Abgeordnete, in Moskau weist der Kreml die Vorwürfe zurück.
Preisentwicklung bei Erdgas bewusst herbeigeführt? Russland weist Vorwürfe zurück
Die EU erhalte alles, was laut Verträgen vereinbart sei, teilte das Unternehmen der Agentur Interfax zufolge mit. Es werde auch versucht, den zusätzlichen Bedarf zu decken, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
Für den anstehenden Winter zeichnet Krischer dennoch ein düsteres Bild. „Wenn es richtig kalt wird im Februar, wichtige Speicher leer sind und Nord Stream 2 nicht in Betrieb genommen wurde, können regional Engpässe auftreten. Dann bleiben Wohnungen kalt und Gaskraftwerke müssen abgeschaltet werden“, befürchtet der Grünen-Politiker.
Preisexplosion bei Erdgas: Derzeit „keine Gefahr einer Versorgungslücke“
Auch der Speicher-Branchenverband warnt. „Wenn die Gasspeicher nicht ausreichend befüllt sind, kann es zu Zeiten hoher Nachfrage zu Gas-Versorgungsunterbrechungen kommen“, sagt Geschäftsführer Sebastian Bleschke. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehe allerdings keine Gefahr einer Versorgungslücke.
Bei den Preisen gibt es für die Verbraucher keine Entwarnung. Ganz im Gegenteil: „Wir erwarten in diesem Herbst eine größere Gaspreiswelle“, sagt Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. Laut Check24-Geschäftsführer Steffen Suttner sei daran „nicht zuletzt die steigende CO2-Abgabe schuld“. Der CO2-Preis im Verkehr und fürs Heizen beträgt derzeit 25 Euro pro Tonne CO2 und steigt mit dem Jahreswechsel auf 30 Euro. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte unterdessen, die Einnahmen aus dem CO2-Preis auf Öl und Gas vollständig an die Bürgerinnen und Bürger zurückzuerstatten. (esa/dpa) *fnp.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.