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Lübcke-Prozess in Frankfurt: Rätsel um den zweiten Mann

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Von: Kathrin Meyer, Florian Hagemann, Matthias Lohr

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Lübcke-Prozess in Frankfurt: Rätsel um den zweiten Täter
Lübcke-Prozess in Frankfurt: Rätsel um den zweiten Täter © Ronald Wittek

In Frankfurt wird der Prozess um den Mord an Walter Lübcke geführt. Bisher drehte sich alles um den Hauptangeklagten Stephan Ernst. Auch ein Blick auf den Mitangeklagten Markus H. ist interessant.

Kassel – Der Prozess um den Mord an Walter Lübcke vor dem Oberlandesgericht Frankfurt drehte sich bisher fast nur um den Hauptangeklagten Stephan Ernst. Er soll den Regierungspräsidenten aus Kassel erschossen haben. Interessant ist aber auch ein Blick auf den Mitangeklagten Markus H. und dessen Verteidiger. Noch ist nicht klar, welche Rolle sie einnehmen in dem Verfahren, das derzeit wegen einer dreiwöchigen Sommerpause ruht.

Walter-Lübcke-Prozess in Frankfurt: Markus H. ist Mitangeklagter

Wie Stephan Ernst hat auch Markus H. vor Gericht bislang kein Wort zu den Anschuldigungen gegen ihn gesagt. Die Anklageschrift wirft ihm Beihilfe zum Mord an Walter Lübcke vor. Bei seiner Festnahme soll der 44-Jährige noch überrascht gefragt haben, warum man ihn nicht wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhafte. Stand er vielleicht im Zentrum eines rechten Netzwerks, das womöglich sogar Kontakte zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) hatte?

Stephan Ernst deutete in einer Vernehmung an, dass Markus H. die Familie des NSU-Opfers Halit Yozgat aus Kassel kannte. Der Vermieter von H. soll demnach ein Verwandter von Yozgat sein. Mit ihm soll H. regelmäßig bei Haushaltsauflösungen Wohnungen entrümpelt haben.

Walter-Lübcke-Prozess in Frankfurt: Markus H. - Mann mit Bauch und Halbglatze

Auf Beobachter wirkt Markus H. ganz anders als Ernst. Während sein einstiger Neonazi-Kamerad stets Anzug trägt, tauchte der Mann mit Bauch und Halbglatze am ersten Tag im Kapuzenpulli auf. Ob er sich während des Prozesses noch äußern wird, ist fraglich. Im Gegensatz zu Ernsts Verteidigern, die eine Einlassung ihres Mandanten ankündigten, haben seine Anwälte nicht den Hauch einer Andeutung gemacht.

Walter-Lübcke-Prozess in Frankfurt: Der Verteidiger von Markus H.

Schon die Wahl seiner Verteidiger war von Markus H. ein eindeutiges Bekenntnis zur rechten Szene. Der Düsseldorfer Anwalt Björn Clemens ist Vorstandsmitglied der Gesellschaft für freie Publizistik (GFP), die der Verfassungsschutz die „größte rechtsextreme Kulturvereinigung in Deutschland“ nennt. Nicole Schneiders verteidigte den NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben. Vertreten wurde die Reutlingerin zwischenzeitlich von Steffen Hammer, der früher in der Rechtsrock-Band Noie Werte spielte. Mit deren Songs untermalte der NSU seine Bekennervideos.

Vor Gericht ließ Clemens keinen Zweifel daran, dass er den Prozess für ein „politisches Verfahren“ hält. Die Tat werde hier „für politische Zwecke missbraucht“. Die AfD werde in die Nähe rechten Terrors gerückt. Seine Kollegin Schneiders hatte ihren größten Auftritt bislang, als sie mit dem Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel stritt, an welcher Stelle der Fernseher stehen sollte, auf dem Ernsts erstes Geständnis gezeigt wurde. Ein unwürdiges Schauspiel.

Die Befangenheitsanträge, die Clemens und Schneiders unter anderem gegen Sagebiel stellten, wurden wie erwartet abgelehnt – ebenso wie der Antrag, das Verfahren gegen Markus H. aus Kassel einzustellen und ihn aus der Haft zu entlassen.

Walter Lübcke-Prozess in Frankfurt: Die Taktik von Markus H.

Die Taktik von Markus H. und seinen Verteidigern ist so schon an den ersten Tagen deutlich geworden. Sie bringen immer wieder ihre Verwunderung zum Ausdruck, dass neben Ernst noch jemand auf der Anklagebank sitzt. Markus H. aus Kassel tut das mit Gesten, indem er das Geschehen fast schon locker verfolgt, als ginge ihn das alles gar nichts an. Clemens und Schneiders unterstreichen das mit Worten. Selbst Ernsts Anwalt Frank Hannig zeigt sich verwundert. Die Verteidigung des zweiten Angeklagten „ist auf Krawall gebürstet“, klagte er auf Youtube.

In der Anklageschrift steht, dass Markus H. stets tonangebend gewesen sei. Ernst habe ihn als Anker empfunden. Aber reichen die Beweise für eine Verurteilung? Bislang gibt es keinen Hinweis, dass Markus H. in der Nacht zum 2. Juni 2019 tatsächlich am Tatort des Mordes an Walter Lübcke war. Das zweite Geständnis des Hauptangeklagten, in dem Ernst seinen Kumpel beschuldigt, bezeichnete Verteidiger Clemens als „Baukastentheorie“. Schon am ersten Verhandlungstag prophezeite er: „Wenn das Verfahren fair ist, wird mein Mandant freigesprochen.“

Walter Lübcke-Prozess in Frankfurt: Die Taktik von Markus H.

Überraschende Wende im Lübcke-Prozess: Der Hauptverdächtige Stephan Ernst hat den Mord am ehemaligen Regierungspräsidenten von Kassel gestanden.

Im Prozess um den Mord an Walter Lübcke in Frankfurt* ging es zuletzt meist um den Hauptangeklagten Stephan Ernst. Der Angeklagte verstrickt sich in weiteren abweichenden Antworten.

Nachdem einer der beiden Verteidiger mehrere Anträge stellt, beantragt der Hauptangeklagte beim Prozess in Frankfurt die Entpflichtung des Anwalts.

Schon vor Beginn des Prozesses um den Mord an Walter Lübcke in Frankfurt* gerät der Vorsitzende Richter Sagebiel in die Kritik. (Von Matthias Lohr, Kathrin Meyer und Florian Hagemann) *hna.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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