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Stephan Ernst soll Synagoge und Politiker ausgespäht haben

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Von: Kathrin Meyer, Matthias Lohr

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Vor dem Mord an Walter Lübcke, Regierungspräsident von Kassel, soll Stephan Ernst eine Synagoge uns mehrere Politiker ausgespäht haben.

Update vom Sonntag, 19.04.2020, 21.19 Uhr: Stephan Ernst, der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, soll nach Erkenntnissen der Ermittler vor mehr als zehn Jahren eine Synagoge in Kassel ausgespäht haben. Das berichtet der Spiegel. 

Demnach soll Ernst damals festgehalten haben, wann besonders viele Gäste zugegen waren. Die Notizen hätten sich auf einem USB-Stick befunden, der im Keller von Ernst versteckt gewesen sei. Auf dem Stick habe er außerdem Dossiers über vermeintliche Feinde angelegt, darunter örtliche Politiker von SPD, Grünen und PDS sowie Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Kassel. 

Die meisten Einträge sollen aus den Jahren 2001 bis 2007 stammen. Laut Spiegel seien alle Betroffenen inzwischen von der Polizei informiert und die Kontrollen an der Synagoge erhöht worden.

Mordfall Walter Lübcke: Akten aus Verfahren gegen Stephan Ernst sollen fehlen

Update vom Sonntag, 05.04.2020, 19.38 Uhr: Bei den Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke fehlen nach einem Bericht der „Welt am Sonntag“ Akten. Es geht um Ermittlungen gegen Stephan Ernst im Zusammenhang mit einem Schuss auf einen linken Aktivisten und Lehrer im Jahr 2003.

Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft sagte am Sonntag, die Ermittlungen dauerten an. Zu dem Bericht der Zeitung äußerte er sich nicht. Die „Welt am Sonntag“ berichtete unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft Kassel, dass die Akten und das sichergestellte Projektil zehn Jahre nach Ende der ergebnislosen Ermittlungen vernichtet worden seien.

Die Bundesanwaltschaft will Stephan Ernst wegen des Mordes an Walter Lübcke Anfang Juni 2019 auf dessen Terrasse und einer Messerattacke auf einen irakischen Asylbewerber im Jahr 2016 anklagen. Seit September ermittelt die Bundesanwaltschaft auch zu einem ungeklärten Angriff auf einen jungen Iraker in der Nähe. Ein Unbekannter hatte dem Mann am 6. Januar 2016 in Lohfelden bei Kassel von hinten ein Messer in den Rücken gestochen. Der Iraker musste auf die Intensivstation.

Kassel: Mordfall Lübcke - Markus H. fiel nicht als Rechtsextremist auf

Update vom Mittwoch, 01.04.2020, 10.27 Uhr: Markus H., einer der beiden Verdächtigen im Mordfall Walter Lübcke, soll im vorigen Jahr von den Behörden einer „Sicherheitsüberprüfung“ unterzogen worden sein. 

Dabei fiel er laut NDR und „Zeit Online“ offenbar nicht als Rechtsextremist auf. Demnach meldete die Polizei wenige Tage nach dem tödlichen Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten dem Verfassungsschutz, dass zu Markus H. „keine aktuellen staatsschutzpolizeilichen Erkenntnisse“ vorlägen.

Kassel: Mordfall Lübcke - Markus H. wurde von Polizei überprüft

Eine solche Überprüfung war nötig, weil der Neonazi für einen Rüstungskonzern arbeitete. Ein Firmensprecher sagte, man habe von der Gesinnung des Mitarbeiters nichts gewusst. Er habe im Unternehmen keinen Zugang zu Waffen oder sensiblen Dokumenten gehabt.

Für den SPD-Landtagsabgeordneten Günter Rudolph (Edermünde) wirft die neue Enthüllung „kein gutes Licht auf die Sicherheitsbehörden“. Die Panne spräche „für einen besorgniserregenden Mangel an Aufmerksamkeit im Umgang mit der rechtsterroristischen Gefahr“.

Kassel: Informationen zu Markus H. wurden nicht weitergeleitet

Laut NDR und „Zeit Online“ soll außerdem die Ex-Freundin des 43-Jährigen das Familiengericht bei einem Sorgerechtsstreit darauf hingewiesen haben, dass Markus H. illegale Waffen sowie Chemikalien zur Sprengstoffherstellung besitze und den Reichsbürgern nahestehe. Diese Informationen leitete das Gericht nicht an die Behörden weiter.

Die Frau hatte ihren ehemaligen Partner den Ermittlern als antreibenden „Denker“ beschrieben, während sein Kumpel Stephan Ernst der „Macher“ gewesen sei. Das deckt sich nun mit Aussagen der Gefängnispsychologin der Frankfurter JVA I. Sie beschreibt Markus H. als „manipulativ-berechnend“. Zuletzt hatte Stephan Ernst seinen Freund beschuldigt, Lübcke erschossen zu haben. Der streitet die Tat ab.

Kassel: Mord an Walter Lübcke - Zweite Anklage gegen Stephan Ernst

Update vom Freitag, 27.03.2020, 10.20 Uhr: Der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke soll wegen einer zweiten Straftat angeklagt werden. Laut „Zeit Online“ und NDR muss sich Stephan Ernst demnach auch wegen des Angriffs auf einen irakischen Asylbewerber verantworten, der im Januar 2016 mit einem Messer in Lohfelden schwer verletzt worden war. 

Die Bundesanwaltschaft, die die Anklage demnächst erheben will, hat sich dazu bislang jedoch nicht geäußert. Der damals 22 Jahre alte Iraker, der in einer Flüchtlingsunterkunft in Lohfelden lebte, war zweieinhalb Kilometer von Ernsts Haus angegriffen worden. Ernsts Verteidiger Frank Hannig sagte „Zeit Online“ und NDR, die Behörden versuchten, seinem Mandanten „jede ungelöste Straftat in Kassel der letzten Jahre in die Schuhe zu schieben“.

Erstmeldung vom 09.03.2020: Gerichtshof glaubt Stephan Ernst nicht

Das geht aus einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs hervor. Ebenfalls geht daraus hervor, dass Markus H. ebenso wie Stephan Ernst weiter in Untersuchungshaft bleibt.

Der 43-Jährige soll dabei geholfen haben, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zu töten. Der Beschluss liefert auch neue Erkenntnisse zu dem Mordfall. Fragen und Antworten.

Womit begründet der Bundesgerichtshof seine Entscheidung, Markus H. in Untersuchungshaft zu lassen?

In dem jüngsten Beschluss heißt es, es sei nach wie vor hochwahrscheinlich, dass Stephan Ernst den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke aus niedrigen Beweggründen erschossen habe und Markus H. dazu Beihilfe leistete.

Mord an Walter Lübcke: Bundesgerichtshof hält an Stephan Ernsts erster Aussage fest

In seinem zweiten Geständnis Anfang Januar hatte Stephan Ernst Markus H. belastet und gesagt, dass nicht er selbst, sondern sein Komplize Markus H. Walter Lübcke erschossen hat – und zwar versehentlich. Geht der jüngste Beschluss auch darauf ein?

In dem Beschluss ist zwar Stephan Ernsts jüngstes Geständnis erwähnt. Da sich Ernsts Aussagen aber nicht mit den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler decken, wird weiter davon ausgegangen, dass sich das Geschehen so zugetragen hat, wie Stephan Ernst es in seinem ersten Geständnis beschrieben hat – wenige Tage nach seiner Festnahme im Juni vergangenen Jahres. Demnach fügten sich die Aussagen des ersten Geständnisses, den Regierungspräsidenten von Kassel, Walter Lübcke, wissentlich und willentlich erschossen zu haben, in die Spurenlage am Tatort ein.

Gibt es weitere Punkte, die diese These stützen?

In dem jüngsten Beschluss des Bundesgerichtshofes ist zu lesen, dass an der Tatwaffe und der darin befindlichen Munition nur DNA-Spuren von Stephan Ernst, nicht aber von Markus H. gefunden wurden. Auch stehe die ursprüngliche Darstellung im Einklang mit dem Obduktionsergebnis: dass Ernst unbemerkt an Walter Lübcke auf der Terrasse seines Hauses in Wolfhagen-Istha im Landkreis Kassel  herangetreten sei und gezielt geschossen habe.

Mord an Walter Lübcke: Obduktionsergebnis widerspricht Stephan Ernsts geänderter Aussage

Wie lautet das Obduktionsergebnis?

Auch das ist im jüngsten Beschluss aufgeführt. Darin heißt es, dass der Schusskanal des todesursächlichen Schädel-Hirn-Durchschusses nahezu horizontal verlaufen sei. Dieser Befund sei bei einer Auseinandersetzung ungleich schwerer zu erklären. Insofern steht das Obduktionsergebnis in Widerspruch zu Stephan Ernsts Aussage bei seinem zweiten Geständnis Anfang Januar. Da hatte er von einer Auseinandersetzung gesprochen, in deren Verlauf Markus H. versehentlich auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erschossen habe.

Gibt es in dem Beschluss neue Informationen zum Tatgeschehen?

Neu ist, dass für die Autofahrt zum Tatort laut jüngstem Beschluss „Tarnkennzeichen“ benutzt worden sind, um das Entdeckungsrisiko zu minimieren. Diese planvolle Vorgehensweise stünde im Einklang mit Vorsichtsregeln, die bei Stephan Ernst sichergestellt worden sind. Der Bundesgerichtshof sieht darin einen weiteren Grund dafür, dass Stephan Ernsts zweites Geständnis nicht der Wahrheit entspricht. Demnach sollen er und Markus H. Walter Lübcke unmaskiert gegenübergetreten sein. Diese Vorgehensweise lasse sich auch schwer mit dem Ansinnen in Einklang bringen, den Regierungspräsidenten von Kassel nur einschüchtern zu wollen, da so die Gefahr einer Identifizierung durch Lübcke bestanden hätte.

Mord an Walter Lübcke: Zeugin beschreibt enge Freundschaft zwischen Stephan Ernst und Markus H.

Stützen noch weitere Gründe den Verdacht, dass Markus H. Stephan Ernst Beihilfe zum Mord geleistet hat?

Die enge Beziehung von Markus H. und Stephan Ernst wird durch die ehemalige Lebensgefährtin von Markus H. belegt. Sie bestätigt, wie im Beschluss zu lesen ist, die gemeinsame Teilnahme an Demonstrationen und Schießübungen. Auch sagt sie, dass beide zwischen Oktober 2016 und Oktober 2018 fünfmal gemeinsam auf dem Schießstand des Schützenvereins in Niestetal waren.

Wann soll die Anklage gegen Stephan Ernst und Markus H. erfolgen?

Nach Informationen unserer Zeitung wird die Anklage gegen Stephan Ernst und Markus H. derzeit vorbereitet. Sie soll in den kommenden Wochen erhoben werden.

Von Kathrin Meyer und Matthias Lohr (in Zusammenarbeit mit dpa)

Der Haftbefehl gegen Elmar J. wurde im Januar aufgehoben - ihm war vorgeworfen worden, die Waffen für Stephan Ernst besorgt zu haben. Nach dem Mord an Walter Lübcke, Regierungspräsident von Kassel, hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Stephan E. und seinen mutmaßlichen Helfer erhoben.

Auf der ersten digitalen Podiumsdiskussion in Kassel sprachen Köpfe aus Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit über die Lehren aus dem Lübcke-Mord und wie rechter Hetze beizukommen ist. Auch Corona-Skeptiker waren ein Thema.

Bundesjustizminsterin Christine Lambrecht spricht bezüglich des Mords an Walter Lübcke von einer „Zäsur“. Die Tat zielte laut der CDU-Politikerin auf die ganze Gesellschaft.

Am 02.06.2019 wurde Kassels Regierungspräsident Walter Lübcke in seinem Wohnort bei Kassel ermordet. Eine Plakat-Aktion soll nun an Lübcke und den Mord erinnern.

Vor einem Jahr: So soll sich der Mord an Walter Lübcke bei Kassel abgespielt haben.

Hat der hessische Verfassungsschutz dazu beigetragen, dass der mutmaßliche Helfer im Mordfall Walter Lübcke Waffen besitzen durfte? Recherchen des NDR decken eine Panne auf.

Kassel: Gut ein Jahr nach dem Mord an Walter Lübcke startet der Prozess in Frankfurt. Eine Übersicht über die Handelnden beim Mammut-Prozess.

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